Beispiele:
  1. Sei f (x) : = x2 - 4. Eine simple Parabel.
    \includegraphics[height=5cm width=5cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild2}
    Ist etwa a = 2, so ist f stetig an der Stelle a. Denn sei (an) eine Folge, die gegen 2 konvergiert, so ist (an2 - 4) wegen dem Satz 1.2.8 eine konvergente Folge und es ist $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$f (an) = $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$(an2 -4) = 2 . 2 - 4 = 0 = f (2). Daher ist unsere Funktion stetig an der Stelle 2. Dies gilt für alle Stellen a.
  2. Sei f : $ \mathbb {R}$ $ \ni$ x $ \mapsto$ [x] $ \in$ $ \mathbb {R}$ Dabei ist nach Gauss [x] : = &le#le;x. Der Graph dieser Funktion sieht so aus:

    \begin{picture}(1200,720)(0,0)
\font\gnuplot=cmr10 at 10pt
\gnuplot\sbox{\plot...
...}}
\put(1135,517){\rule{1pt}{1pt}}
\put(1136,607){\rule{1pt}{1pt}}
\end{picture}
    Diese Funktion ist zum Beispiel an der Stelle a = 0 unstetig. Denn es ist [0] = 0. Weiter ist ($ {\frac{{-1}}{{n}}}$ eine Folge deren Grenzwert 0 ist. Aber lim([$ {\frac{{-1}}{{n}}}$]) = lim(- 1) = - 1 $ \neq$ [0]. Daher ist die Funktion unstetig bei 0.
  3. Spannender ist es schon bei der Funktion

    f (x) = \begin{displaymath}\begin{cases}
\sin(1/x) & \text{ f\uml {u}r } 0\neq x,\\ 0 & \text{ f\uml {u}r } x=0 \end{cases}\end{displaymath}    

    Ihr Graph sieht so aus:

    \includegraphics[height=5cm width=10cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild3}

Das ist um den Nullpunkt herum ziemlich wild. Schauen wir es mit der Lupe an:

\includegraphics[height=5cm width=10cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild4}
Die Geschichte ist noch chaotischer geworden. Die Vermutung liegt nahe: f ist unstetig an der Stelle 0.

Beweis:Sei (an) = ($ {\frac{{1}}{{0.5\cdot \pi +\pi\cdot 2n}}}$). Dann ist $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$(an) = 0. Es ist $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$f (an) = lim 1 = 1. Aber es ist f (0) = 0. Daher ist die Funktion unstetig bei 0. $ \Box$

Lag es vielleicht nur daran wie wir f (0) definiert haben? Untersuche das!

Es gibt also durchaus unstetige Funktionen. Wer aber vor diesem Beispiel vermutet hat, dass es nur stetige Funktionen gibt, braucht sich nicht zu schämen. Einer der berühmtesten Mathematiker, später das Urbild an Genauigkeit, Karl Weierstraß (geb. 31.10. 1815 und gst. 19.2. 1897) war in einer seiner ersten akademischen Vorlesung noch dieser Ansicht. So stammt aus einer Mitschrift einer Vorlesung, die wahrscheinlich 1859 gehalten wurde folgender Satz: ,,Jede Function ist stetig veränderlich, wenn ihr Argument veränderlich ist; und es ist dies folgendermaßen zu definieren: Wenn man dem Argumente einer Function einen Werth zufügt, der so klein ist, als man ihn nur denken kann, so erleidet die Function eine Änderung, welche ebenfalls so klein ist, dass man sie sich kaum vorstellen kann`` (zitiert nach R. Bölling ,,Karl Weierstraß- Stationen eines Lebens`` [#!Boelling!#, Seite 65]) Wir sehen diese Definition ist noch voller nebulöser, undeutlicher Worte. Wie klein kannst du dir eine Zahl denken? Kann man sie sich noch kleiner vorstellen?

Weierstraß selber war es, der schließlich den entscheidenden Schritt zum Verständnis von Grenzwert und Stetigkeit machte. Von ihm stammt die Auffassung der Analysis, wie wir sie heute haben. Aber ganz so Unrecht hatte andererseits Weierstraß mit seiner obigen Aussage nicht. Damals war nämlich der Begriff der Funktion nicht vollständig geklärt. Man dachte nur an ,,vernünftige Funktionen``, die man durch einen algebraischen Ausdruck (Limes Zeichen durften auch vorkommen) hinschreiben kann. In diesem Sinne belegt der nächste Satz, dass Weierstraß doch so ungefähr Recht hatte.

Satz 2.1.1   Seien f, g : A $ \rightarrow$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ reelle Funktionen, die an der Stelle a $ \in$ A stetig sind. Dann gilt:
  1. (f + g) : A $ \ni$ x $ \mapsto$ f (x) + g(x) $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ ist stetig an der Stelle a.
  2. (f . g) : A $ \ni$ x $ \mapsto$ f (x) . g(x) $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ ist stetig an der Stelle a.
  3. Ist außerdem g(a) $ \neq$ 0 und A' = {a| a $ \in$ A mit g(a) $ \neq$ 0}, so ist

    $\displaystyle {\frac{{f}}{{g}}}$ : A $\displaystyle \ni$ x $\displaystyle \mapsto$ $\displaystyle {\frac{{f(x)}}{{g(x)}}}$ $\displaystyle \in$ $\displaystyle \mbox{$\mathbb{R}$}$ stetig an der Stelle a.

Beweis:Dies liegt einfach an den Sätzen 1.2.6, 1.2.8 und 1.2.9 $ \Box$

Die Funktion f : $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ $ \ni$ x $ \mapsto$ \begin{displaymath}\begin{cases}
\sin(1/x) & \text{ f\uml {u}r } x \neq 0\\
0 & \text{ f\uml {u}r } x=0\in \mbox{$\mathbb{R}$}
\end{cases}\end{displaymath} ist an der Stelle 0 unstetig. Aber sie ist noch beschränkt. Bei einer Nullfolge haben wir gesehen, dass das Produkt aus einer beschränkten Folge und einer Nullfolge beschränkt ist. So kann man auch hier die Funktion durch einen geeigneten Faktor stetig an der Stelle 0 machen. Wir betrachten

g : $\displaystyle \mbox{$\mathbb{R}$}$ $\displaystyle \ni$ x $\displaystyle \mapsto$ \begin{displaymath}\begin{cases}
x\cdot \sin(1/x) & \text{ f\uml {u}r } x\neq 0\\ 0 & \text{ f\uml {u}r } x = 0 \end{cases}\end{displaymath}    

Diese Funktion ist an der Stelle 0 stetig. Man sieht es dem Graphen an.

\includegraphics[height=5cm width=10cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild5}
Gezoomt ergibt sich das zweite Bild:
\includegraphics[height=5cm width=10cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild6}

Man kann die auch exakt begründen. Sei dazu (an) eine Nullfolge. Dann ist sin(1/an) eine beschränkte Folge. Also ist $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$an . sin(1/an) = 0 = g(0). Dies war zu zeigen. Mit Hilfe des Satzes 2.1.1, erkennt man, dass unter anderem jedes Polynom für jeden Punkt in $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ stetig ist.

Definition 2.1.2   Eine Funktion f : $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ $ \rightarrow$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ heißt Polynom oder ganzrationale Funktion n ten Grades, wenn es a0,..., an $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ gibt mit an $ \neq$ 0 und f (x) = $ \sum\limits_{{i=0}}^{n}$aixi für alle x $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$. Der Quotient $ {\frac{{f(x)}}{{g(x)}}}$ aus zwei Polynomen heißt rationale Funktion oder gebrochen rationale Funktion. Eine rationale Funktion ist natürlich nur noch dort definiert, wo der Nenner $ \neq$ 0 ist.

Mit dem Satz 2.1.1 erhalten wir:

Satz 2.1.2   Polynome und rationale Funktionen sind in ihrem ganzem Definitionsbereich stetig.

Satz 2.1.3   f : $ \mbox{$\mathbb{R}$}$0+ $ \ni$ x $ \mapsto$ $ \sqrt{{x}}$ $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$0+ ist für alle a $ \in$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$0+ stetig.

Beweis:Sei a > 0 und an eine Folge, die gegen a konvergiert. Es ist (an - a) = ($ \sqrt{{a_n}}$ - $ \sqrt{{a}}$) . ($ \sqrt{{a_n}}$ + $ \sqrt{{a}}$). Also ist ($ \sqrt{{a_n}}$ - $ \sqrt{{a}}$) = (an - a) . $ {\frac{{1}}{{\sqrt{a_n}+\sqrt{a}}}}$. Nun ist $ {\frac{{1}}{{\sqrt{a_n}+\sqrt{a}}}}$$ \le$$ {\frac{{1}}{{\sqrt{a}}}}$. Also ist $ \left(\vphantom{\frac{1}{\sqrt{a_n}+\sqrt{a}}}\right.$$ {\frac{{1}}{{\sqrt{a_n}+\sqrt{a}}}}$$ \left.\vphantom{\frac{1}{\sqrt{a_n}+\sqrt{a}}}\right)$ eine beschränkte Folge. Es folgt, dass ($ \sqrt{{a_n}}$ - $ \sqrt{{a}}$) als Produkt einer beschränkten und einer Nullfolge eine Nullfolge ist. Dies war zu zeigen. $ \Box$
Andreas Bartholome
2003-11-26