In ungefähr 15 Minuten werde ich durch die Kirche
führen.
Wenige Kunstwerke werde ich zeigen und sie versuchen zu deuten.
Den Kunstgeschichtlern überlasse ich die Einordnung in Zeit.
Manchmal weise ich auf die Bibel die Legende hin.
Der Raum
Ich weiß nicht wie es Ihnen ergangen ist, als Sie diesen Raum betreten haben.
Mich ergreift er immer wieder im wörtlichen Sinne. Er greift nach mir.
Hell und hoch streckt er sich. Alle bedrückende Enge ist wie verweht.
Das ist keine Gebetshöhle, kein dumpfer Gebetsbunker. Hier kann man atmen.
Der Raum grenzt nicht ein, aber er richtet uns aus nach Osten zum gekreuzigten
Erlöser und nach oben zum Licht vom Lichte. Er rahmt die Unendlichkeit.
So verliert man sich nicht in ihr. Um dem Licht Platz zu machen sind die 24m
hohen Säulen so schlank,
wie es die Schwerkraft gerade noch erlaubt. Die Rauten des regulären 5 Ecks im
Gewölbe verbinden die 9
Joche und lenken den Blick nach vorn zum gigantischen Kreuz. Im Chor
zeigt die Raute des regulären Achtecks auf das Fenster im Hauptchor.
Dessen Maßwerk ist eine Rose mit 8 Blättern. 8 das Symbol der Unendlichkeit. 8
das Symbol des Neuanfangs.
Geschichte
Mit der Stadtgründung 1204 wurde an dieser Stelle ein romanische Kirche dem heiligen Martin geweiht. Im Jahre 1342 brannte Stadt und Kirche. Beim Wiederaufbau der Stadt wurde das Straßenniveau um 3m gehoben. Im Jahre 1392 begann man an dieser Stelle mit dem Neubau einer gotischen Kirche. 1398 war der Chorraum fertig. Es sollte noch mehr als 100 Jahre dauern bis Kirche und Turm vollendet waren. Mindestens drei verschiedene Baumeister haben die Landshuter Bauhütte geleitet. Ein Hans Krumenauer - wird zuerst erwähnt. Von ihm stammt wahrscheinlich der Gesamtentwurf der Kirche. Er vollendet den Chorraum. 1405 wechselt er an die Dombauhütte in Passau.
Hans von Burghausen ist sein Nachfolger. Auf der
Südseite der Kirche ist neben dem Bauernportal, das ist das Südwestportal
sein Epitaph. Ein skeptischer älterer Mann schaut nachdenklich in sich
hinein. Hans von Burghausen war gefragter Baumeister. Sein Neffe Hans
Stettheimer hat diese Büste gemeißelt. Von ihm stammt auch der
Hauptaltar. Hans Stettheimer übernahm die Bauleitung. Er vollendete das
Hauptschiff plante im wesentlichen den Turm. Erst ungefähr 1500 wird der
gewaltige Turm mit der Eindeckung vollendet.
Viele Restaurierungen hat die Kirche erlebt. Die letzte große war die
konstruktibe Sanierung des Haupgebäudes und des Turmes.
1595 wurde das Stiftskapitel von Moosburg nach Landshut überführt.
Die Reliquien des heiligen Kastulus kamen nach Landshut.
Seitdem hat die Kirche einen zweiten Patron. Die Kanoniker, Mitglieder des Kapitels sind verpflichtet zu gemeinsamen regelmäßigem Gebet.
Im Jahre 2001 erhielt die Kirche den Ehrentitel „päpstliche Basilika minor.“
Vorne der Schirm und eine Tafel am Portal weisen darauf hin.
Ausstattung
Noch ein paar Worte zur Ausstattung.
Chorbogenkreuz
Der Corpus des riesigen Chorbogenkreuzes ist 5,50m mal 5,45m groß. Der
Künstler Michael Erhart aus Ulm stellt Christus in dem Moment dar, als er
gesagt hat: „Es ist vollbracht“. Und er neigte sein Haupt und gab seinen Geist
auf. (Johannes 19/ 27)
Hauptaltar
Der Hauptaltar von Hans Stetheimer ist dem heiligen Martin und der
Gottesmutter gewidmet.
Von uns aus gesehen links teilt Martin, noch Soldat - vor den Toren von Amiens
den Mantel mit dem armen Mann.
In der Nacht erscheint ihm Christus und sagt „Was Du dem Geringsten meiner
Brüder getan hast, das hast Du mir getan“.
Martin wird Christ, verweigert den Kriegsdienst, gründet eines der ersten
Klöster
und wird vom Volk zum Bischof gewählt. Er gilt als Beschützer aller Bedrängten
und der Schrecken aller Gewalttätigen.
Sicher ganz im Sinne von Martin hat Papst Franziskus folgende
Botschaft an die Teilnehmer von G20 geschickt.
„Es ist (...) notwendig, dass (...) den Armen, den Flüchtlingen, den
Leidenden, den Vertriebenen und den Ausgeschlossenen -
ohne Unterschied von Nation, Volkszugehörigkeit, Religion oder Kultur -
absoluter Vorrang eingeräumt wird und
ebenso bewaffnete Konflikte abgelehnt werden“,
In dieser Kirche wird Martin oft abgebildet. Das von uns aus gesehene rechte
Chorgestühl erzählt Szenen aus seinem Leben. In der
Taufkapelle steht ein modernes Werk von Professor Fritz König. Europa ist voll
von Kirchen, die ihm geweiht sind.
Was sagt Martin wohl zu den Wiedergängern den nationalen Dumpfbacken?
Rechts neben Martin grüßt Gabriel, der Bote Gottes, die junge Frau
Maria. „Gegrüßet seist Du Maria, voll der Gnade.
Siehe Du wirst empfangen und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen
Jesu geben.“
In der Mitte begegnen sich die beiden schwangeren Frauen Elisabeth und Maria.
Maria stimmt das Magnifacat an. „Hoch preise meine Seele den Herren- Er stürzt
die Gewaltigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“
Rechts huldigen die drei Weisen aus dem Morgenland.
„Sie wurden mit großer Freude erfüllt. Sie sahen das Kind und Maria und
huldigtem ihm. Sie brachten ihm Gold Weihrauch und Myrre als Gaben dar.“ Die
Männer sind in verschiedenen Lebensaltern dargestellt. Ein junger Mann, einer
in der Lebensmitte und ein Greis.
Leinberger Madonna
Erstaunlich ist die überlebengroße Madonna von Hans Leinberger ungefähr 1517 bis 1518 geschaffen. Sie gehörte zu einer frei hängenden.
Rosenkranz Madonna. Daher hat sie etwas Schwebendes. Das ist keine Betschwester keine Frau, mit einem Anbetungsbuckel. Diese Frau ist das aufrechte Stehen gewohnt. Sohn und Mutter ähneln sich. Beide schauen sinnend in sich hinein mit einem Abstand zur Welt. Das Baby zappelt nackt auf dem Arm seiner Mutter. Kein gefesseltes Fatschenkind. Lässig hält Maria das Zepter für ihren Sohn, den Weltenrichter. Kunstvoll ist die Frisur wie ein Diadem geordnet. Die langen gewellten Haare fallen bis zur Hüfte herunter. Ein geheimnisvolles Muster ist auf ihr rotes Kleid gezeichnet.
Rätselhaft ist das gewaltige Überkleid. Die Falten sind wie Röhren wie Säulen
geformt.
Engel helfen ihr dieses Gewand tragen. Schauen wir genau hin, so sehen wir:
Das Gewand ist ein Mantel. Innen blau wie der diesseitige Himmel und außen
jenseitig golden.
Sie ist in doppeltem Sinne die Mutter der Barmherzigkeit
„Maria breit den Mantel aus mach Schirm und Schild für uns daraus.“
Die Bezeichnung Patrona bavariae ist gelinde gesagt kindisch.
Sie ist nicht Stammesgottheit eines Völkchens nördlich der Alpen.
Dafür ist ihr Mantel zu weit zu breit. Er deckt die ganze Christenheit ja die
ganze Welt.
In der Stunde des Gerichts ist Maria die Advocata nostra. Sie ist unsere
Fürsprecherin.
Kirchenschiff
Gehen wir durch das Kirchenschiff, so werden wir von
einer Prozession heiliger Gestalten begleitet.
Besonders gut gefällt mir der Mann mit der Jakobsmuschel am Hut, der
Trinkflasche am Gürtel.
Es ist Jakobus der Ältere. Jesus nennt ihn und seinen Bruder Donnersöhne.
Er soll in Santiago de Compostella beerdigt sein. Er ist das Urbild eines
Pilgers. Er erinnert daran, dass unser Leben eine Pilgerfahrt ist.
In der Nähe der Taufkapelle verkündet Johannes aus der Schrift die Ankunft des
Messias.
Er ist die Stimme des Rufers in der Wüste „Bereitet den Weg des
Herren“. Johannes trug ein Gewand
aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften.
Im Taufportal tauft er Jesus. Eine Stimme vom Himmel ruft
„Dieses ist mein geliebter Sohn“. Im Chorgestühl wird auf der von uns aus
gesehen linken Seite sein Leben bis zur
Enthauptung durch Herodes geschildert. Auch er ein Opfer der Gewalttätigen,
die keine Wahrheit vertragen.
Kurz vor seinem Tod
zweifelt er an seiner eigenen Botschaft. Aus dem Verließ heraus fragt er
Christus.: "Bist Du es der da kommen soll?"
Die Qualität der Figuren ist nicht gleichmäßig. Die heilige Katharina von
Alexandria, das ist die mit dem Rad
sollte eigentlich sehr intelligent dargestellt sein.
Nach der Legende überzeugte sie durch Argumente die Professoren der Unversität
von Alexandria vom Christentum.
Aber auf mich wirkt sie mehr wie eine Frau beschränkter Geisteskraft.
Übrigens das Urbild der Katharina war eine Heidin,
hieß Hypatia war Mathematikerin, Platonikerin und letzte Dekanin der antiken
Universität von Alexandria.
Sie wurde ermordet von den fanatisierten Mönchshorden des sogenannten Kirchenvaters Kyill von Alexandria.
Im Chor stehen Apostel und Evangelisten. Den heiligen Andreas erkennt man an
seinem Kreuz und den heiligen Bartholomäus an dem Messer mit dem er bei
lebendigem Leib gehäutet wurde.
Kirchenfenster
Die Kirchenfenster sind modern.
Eins schildert das Leben des heiligen Martin. Eins das Leben der Elisabeth von
Thüringen. In der
Kastuluskapelle malt Max Lachner kurz nach dem 2ten Weltkrieg die
Legende vom Leben
des heiligen Kastulus. Kastulus hatte am Kaiserhof des Diokletian eine
höhere Stellung. Er nutze dies um sich menschlich zu
verhalten. Er schützte verfolgte Christen wurde selber Christ.
Er wird entdeckt vor den Kaiser Diokletian geführt. Man foltert ihn, damit er
dem Kaiser das Weihrauchopfer bringt.
Da er standhaft bleibt wird er vom Kaiser verurteilt.
Ein Bischof schaut boshaft lächelnd der Verurteilung
zu. Die
Folterknechte zeichnet der Künstler Max Lachner als die Mächtigen des dritten
Reiches Hitler, Göring, Goebbels. Die Verfolgung der Menschen wegen ihrer Rasse
oder Religion hat seit Diokletians Zeiten nicht aufgehört. Aber am Ende trägt
Kastulus die Siegespalme. Nicht die Gewalttätigen erringen den Sieg. Sie werden
vom Thron gestürzt. "`Selig sind die Gewaltlosen, sie werden das Land erben."'
Schluss
Wer an weiteren Einzelheiten interessiert
ist, kann mich gerne befragen und sich am Schriftenstand mit Literatur versorgen. Es gibt einen schönen
neuen Kirchenführer. Besonders empfehlen kann ich das Buch von Günther Knesch:
"` St. Martin zu Landshut"'.
Es ist von einem Architekten und Ingenieur
geschrieben. Daher wird der Blick auch auf Dinge gelenkt, die ein
Kunsgeschichtler vielleicht nicht so sehr betont.
Ich lade sie ein: Kommen sie zu zu verschieden Zeiten hierher. Egal
ob Ihnen Religion etwas bedeutet oder nicht. Setzen sie sich in eine Bank
atmen Sie meditieren Sie.
Gehen sie in diesem Bild der Unendlichkeit umher. Sie werden feststellen. Die
Martinskirche hat nicht nur außen 5 Sonnenuhren. Sie selber ist eine
Sonnenuhr. Sie zeigt durch Höhe und Weite den Raum und durch
das geformte Licht die Zeit.
Freuen sie sich an den lustigen Einfällen von Schlossern und Schreinern. Ich
weiß immer noch nicht wieviel Fratzen die Schlosser des Taufportals in die
Beschläge geschmiedet haben. Besuchen Sie die Orgelkonzerte Samstags
11Uhr45. Gönnen sie sich in allem Gerenne, Gelaufe, Online Sein Momente des
Nachdenkens über unseren Platz im All. Lassen sie sich durch diesen Pfeil in
die Unendlichkeit aufrichten. Nicht nur gesprochene Sprache sagt etwas. Auch
Gebautes, Musiziertes, Geformtes hat Bedeutung kündet von Kreativität und dem
ersten Kreator, dem Urheber aller Schöpferkraft.