Unendliche Mengen

Auf einer Party tummeln sich eine Menge von Damen $ \mathbb{D}$ und eine Menge von Herren $ \mathbb{H}$. Es ist Damenwahl. Jede der Damen sucht sich einen Tänzer aus. Und siehe da es bleibt keiner übrig. Die Damen sind sehr tanzfreudig und so wird auch in den nächsten Runden keiner der noch so faulen Herren seinem Schicksal entgehen. Mathematisch heißt dies: Es gibt eine bijektive Funktion $ f:\mathbb{D}\rightarrow \mathbb{H}$ und jede injektive Funktion $ f:\mathbb{D}\rightarrow \mathbb{H}$ ist auch surjektiv. Das heißt insbesondere ist jede injektive Funktion $ f:\mathbb{D}\rightarrow \mathbb{D}$ auch surjektiv. 1

Erklärung 3.1   Eine Menge $ M$ heißt unendlich, wenn es eine injektive Abbildung

$ f:M\rightarrow M$ gibt, welche nicht surjektiv ist. Siehe [Ded65, Seite 13]2Entsprechen heißt eine Menge $ M$ endlich, wenn jede injektive Abbildung $ f:M\rightarrow M$ surjektiv ist.

Er hat auch eine schöne Begründung dafür, dass es eine unendliche Menge gibt:

,, Meine Gedankenwelt, d.h. die Gesamtheit $ S$ aller Dinge, welche Gegenstand meines Denkens sein können, ist unendlich. Denn wenn $ s$ ein Element von $ S$ bedeutet, so ist der Gedanke s', dass $ s$ der Gegenstand meines Denkens sein kann, selbst ein Element von S. Sieht man dasselbe als Bild $ \varphi(s)$ des Elementes $ s$ an, so hat daher die hierdurch bestimmte Abbildung $ \varphi$...`` die gewünschten Eigenschaften.
Abbildung 7: Gedanken
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Ich muss gestehen: Mich überzeugt der Beweis. Es gibt Beckmesser, die ihn nicht schlüssig finden. Auf jeden Fall erhellt Dedekinds Definition auf einmal schlaglichtartig, dass das Unendliche eigentlich näher liegt als das endliche. Hilbert hat diese Definition durch sein schönes Bild vom Hilbert Hotel erläutert. Einer der Kritiker Dedekinds war sein Freund Georg Cantor. Er hatte übrigens die etwas unangenehme Art die Freundschaft unter wissenschaftlichen Auseinandersetzungen leiden zu lassen. So schreibt er in einem Brief an Hilbert: [HM91, Seite 427]
,,Dedekind geht offenbar von der Meinung aus, dass die Zahlentheorie keine anderen Axiome voraussetze als die logischen; dasselbe scheinen die Vertreter des Logikcalcüls zu glauben. ... Mein anderer Gegensatz zu Dedekind besteht, wie Sie ja wissen, darin, dass er jede bestimmte Vielheit für consistent hält, also den Unterschied von consistenten und inconsistenten Vielheiten nicht zugiebt``
Dedekind definiert Unendlichkeit als Beziehung einer Menge zu sich. Nicht durch die Elemente der Menge. Dedekind erklärt durch soziale Beziehungen die Unendlichkeit.

Satz 3.1   Folgende Aussagen sind äquivalent:
  1. Es gibt eine unendliche Menge.
  2. Es gibt eine freie zyklische einstellige Algebra.

Beweis:1. $ \Rightarrow 2.$ Es gibt eine unendliche Menge $ A$. Das heißt es gibt eine injektive Abbildung $ \alpha:A\rightarrow A$, welche nicht surjektiv ist. Also ist $ A\setminus \alpha(A)\neq \emptyset$. Sei $ [a]$ die kleinste Unteralgebra von $ A$, welche $ a$ enthält. $ ([a],\alpha)$ ist dann eine freie zyklische einstellige Algebra.

2. $ \Rightarrow$ 1. Ist klar. $ \Box$
Hinweise:

  1. Der Begriff der Unendlichkeit überträgt sich von der Kategorie der Mengen ganz leicht auf andere Kategorien. So kann man sagen: Ein Vektorraum $ V$ hat unendliche Dimension, genau dann wenn es einen injektiven Homomorphismus gibt, der nicht surjektiv ist. 3

    Erklärung 3.2   Ein Objekt $ A$ in einer Kategorie heißt unendlich, wenn es einen Monomorphismus $ f:A\rightarrow A$ gibt, der kein Epimorphismus ist. Endlich heißt $ A$, wenn dies nicht der Fall ist.

  2. In diesem Sinne in in der Kategorie der abelschen Gruppen $ \mbox{$\mathbb{Q}$}$$ _{\mbox{$\mathbb{Z}$}}$ endlich, während $ \mbox{$\mathbb{Z}$}$ unendlich ist. Also etwas als Menge größeres ist endlich. Dies zeigt einen weiteren Aspeckt der Definition von Dedekind. Ob etwas endlich ist hängt von den Beziehungen ab, die möglich sind.

Man hätte auch den dualen Begriff nehmen können etwa

Erklärung 3.3   Ein Objekt $ A$ in einer Kategorie heißt kounendlich, wenn es einen Epimorphismus $ f:A\rightarrow A$ gibt, der kein Monomorphismus ist.

Satz 3.2   In der Kategorie der Mengen ist eine Menge genau dann unendlich, wenn sie kounendlich ist.

Beweis:Sei $ E$ eine endliche Menge und $ f:E\rightarrow E$ eine surjektive Abbildung. Dann gibt es ein $ g:E\rightarrow E$ mit $ fg=1_{E}$. Also ist $ g$ eine injektive Abbildung und als solche surjektiv weil $ E$ endlich ist. Damit ist $ g$ bijektiv und $ f$ ist die Umkehrabbildung $ g^{-1}$. Also ist auch $ f$ injektiv.

Ist umgekehrt $ E$ kounendlich und $ f:E\rightarrow E$ eine injektive Funktion, so gibt es ein $ g:E\rightarrow E$ mit $ gf=1_{E}$. Daher ist $ g$ eine surjektive Funktion, die nach Voraussetzung injektiv ist. Daher ist $ f$ die Umkehrfunktion von $ g$ und als solche surjektiv. Also ist $ E$ endlich. $ \Box$
Dieser Satz 3.2 gilt in anderen Kategorien nicht.

Ab jetzt stellen wir uns auf den Standpunkt des heiligen Augustinus. Wir glauben also an die Existenz einer unendlichen Menge. Wegen Satz [*] gibt es dann eine freie einstellige zyklische Algebra. Dedekind nennt sie in [Ded65, Seite 16] einfach unendlich. Nach dem Basissatz 2.9 ist diese bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt. Wir wählen eine solche aus und nennen sie $ ($$ \mbox{$\mathbb{N}$}$$ ,s)$. Sie werde erzeugt von 0.

Satz 3.3   Eine einstellige Algebra ist genau dann zyklisch, wenn sie epimorphes Bild von $ ($$ \mbox{$\mathbb{N}$}$$ ,s)$ ist.

Beweis:Sei $ (A,\alpha)$ eine zyklische einstellige Algebra. Ein Element $ a$ erzeugt also $ A$. Das heißt $ [a]=A$. Wegen dem Rekursionsatz 2.8 gibt es zu der Abbildung $ \{0\}\ni 0\mapsto a\in [a]=A$ genau ein Homomorphismus $ f^{*}:$$ \mbox{$\mathbb{N}$}$$ \rightarrow A$ mit $ f^{*}\iota =f.$ $ f^{*}($$ \mbox{$\mathbb{N}$}$$ )$ ist als epimorphes Bild einer abgeschlossenen Menge abgschlossen. Also ist $ A=[a]\subset f^{*}(N)$. Daher ist $ f$ surjektiv. Die Umkehrung ist einfach. $ \Box$

Satz 3.4   Jede einstellige Algebra ist epimorphes Bild einer freien einstelligen Algebra.

Beweis:Sei $ (B,\beta)$ eine einstellige Algebra. Sie werde erzeugt von $ V$. Man kann die elementfremde Vereinigung

$\displaystyle F=$$\displaystyle \mbox{$\mathbb{N}$}$$\displaystyle \times V$ (2)

bilden. Als Funktion wählt man :

$\displaystyle \alpha:$$\displaystyle \mbox{$\mathbb{N}$}$$\displaystyle \times V\ni (n,v)\mapsto (s(n),v))\in B.$ (3)

$ \alpha$ ist injektiv und nicht surjektiv. Die Elemente aus $ E:=\{(0,v)\vert v\in
V\}$ kommen nicht im Bild von $ \alpha$ vor. Außerdem erzeugt $ F$. Also ist $ F$ frei. Zu der Abbildung $ f:E\ni (0,v)\mapsto v\in B$ gibt es ein eindeutig bestimmtes $ f^{*}:F\rightarrow B$ mit $ f^{*}((0,v))=v$ für alle $ v\in V$. Die Bildmenge von $ f^{*}$ ist abgeschlossen in $ B$ und enthält $ V$. Daher ist $ f^{*}$ surjektiv. $ \Box$

Satz 3.5  
  1. Jede Teilmenge einer endlichen Menge ist endlich.
  2. Ist $ f:A\rightarrow B$ eine injektive Abbildung in eine endliche Menge $ B$, so ist $ A$ endlich.
  3. Jedes epimorphe Bild einer endlichen Menge ist endlich.
  4. Die Vereinigung zweier endlicher Mengen ist endlich.

Beweis:Zu 1. Sei $ A$ eine Teilmenge der endlichen Menge $ B$. Dann ist $ B=A\cup(B\setminus A)$. Sei $ f:A\rightarrow A$ eine injektive Abbildung. Wir erklären eine injektive Abbildung $ g:B\rightarrow B$ mit $ g(a)=f(a)$ für alle $ a \in A$.

$\displaystyle g(b):= \begin{cases}f(b) &\text{ falls } b\in A \\ b &\text{sonst} \end{cases}$    

Behauptung: $ g$ ist injektiv.

Es sei $ b_{1},b_{2}\in B$ mit $ g(b_{1})=g(b_{2})$. Dann gibt es drei Möglichkeiten:

  1. $ b_{1},b_{2}\in A$. Dann ist $ g(b_{1})=f(b_{1})=g(b_{2})=f/b_{2}$. Somit ist $ b_{1}=b_{2}$, da $ f$ injektiv ist.
  2. $ b_{1}\in A$ und $ b_{2}\in B\setminus A$. Dann ist $ g(b_{1})=f(b_{1})\in
A$ aber $ g(b_{2})=b_{2}\notin A$. Dann ist $ g(b_{1})=g(b_{2})$ aber unmöglich.
  3. $ b_{1},b_{2}\in B\setminus A$. Dann ist $ b_{1}=g(b_{1})=g(b_{2})=b_{2}$.
Also ist in jedem Fall, in dem $ g(b_{1})=g(b_{2})$ möglich ist, schon $ b_{1}=b_{2}$. Daher ist $ g$ injektiv. Da $ B$ endlich ist, ist $ g$ auch surjektiv. Es gibt daher zu jedem $ a \in A$ ein $ b\in B$ mit $ g(b)=a$. Es ist aber $ b\in B\setminus A$ unmöglich. Denn dann wäre $ g(b)=b\notin A$. Andererseits $ a=b=g(b)$. Also ist $ b\in A$. Dann ist aber $ g(b)=f(b)$ und man hat: Zu jedem $ a \in A$ gibt es ein $ a'\in A$ mit $ f(a')=a$. Das heißt $ f$ ist surjektiv. Also ist $ A$ eine endliche Menge.

Zu 2. Man zeigt leicht, dass die Klasse der endlichen Mengen gegenüber Bijektionen abgeschlossen ist. Damit folgt die Behauptung.

Zu 3. Ist $ f:A\rightarrow B$ eine surjektive Abbildung mit endlichem $ A$, so gibt ein $ g:B\rightarrow A$ mit $ fg=1_{B}$. Daher ist $ g$ eine injektive Abbildung. $ g(B)\subset A$ ist endlich. Daher ist $ B$ endlich.

$ \Box$

Andreas Bartholome 2005-03-06