Vollständigkeit

Wir brauchen unbedingt Konvergenzkriterien. Ein einleuchtendes Prinzip ist folgendes:

Axiom 1..1   Jede monoton wachsende und nach oben beschränkte Folge ist konvergent.

Wir können dies mit unsern Mitteln nicht beweisen. Noch Gauß nahm diese Tatsache ohne darüber nachzudenken als selbstverständlich an. Wir tun es auch.

Satz 1.3.1   Äquivalent sind:
  1. Jede monoton wachsende und nach oben beschränkte Folge ist konvergent.
  2. Jede monoton fallende und nach unten beschränkte Folge ist konvergent.

Beweis:1. $ \Longrightarrow$2. Sei (bn) eine monoton fallende und durch s nach unten beschränkte Folge. Dann ist (- bn) nach oben durch (- s) beschränkt und (- bn) ist monoton wachsend. Also ist (- bn) konvergent. Daher ist (bn) = (- 1) . (- bn) auch konvergent.

2. $ \Longrightarrow$1. Genauso. $ \Box$

Mit diesem Kriterium können wir nun in einigen Fällen entscheiden, wann unser Itertionsverfahren mit der Gleichung 1.7 konvergiert. Wir hatten beispielsweise vermutet, dass für r = 1 und beliebigen Startwert aus [0, 1] die Folge gegen 0 konvergiert. Dies ist tatsächlich richtig. Denn es ist an+1 = an . (1 - an)$ \le$an, da 0$ \le$1 - an$ \le$1 für an $ \in$ [0, 1]. Also ist die Folge monoton fallend. Sie ist sowieso nach unten beschränkt durch 0. Also ist die Folge konvergent. Dann stimmt aber der Grenzwert, den wir vorher ausgerechnet haben.

Wie sieht es aus, wenn wir in der logistischen Gleichung 1.7 r = 2 wählen? Wir hatten vermutet, dass dann der Grenzwert 0.5 ist. Um dies zu beweisen ist es nützlich, den Graphen der Funktion f (x) = 2 . x . (1 - x) zu betrachten

\includegraphics[height=5cm width=5cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bild1}
Die Scheitelform dieser Parabel erhält man durch f (x) = (- 2) . (x2 - x + $ {\frac{{1}}{{4}}}$ - $ {\frac{{1}}{{4}}}$) = (- 2) . (x - $ {\frac{{1}}{{2}}}$)2 + $ {\frac{{1}}{{2}}}$. Das heißt für x $ \in$ [0, 1] ist f (x) $ \in$ [0,$ {\frac{{1}}{{2}}}$]. Wählen wir für unsere Folge irgend einen Startwert aus [0, 1], so ist die Folge auf jeden Fall durch $ {\frac{{1}}{{2}}}$ nach oben beschränkt. Wählen wir als Startwert a0 : = 0.1, so überlegt man sich, dass an $ \neq$ 1 für alle n $ \in$ $ \mathbb {N}$ und an $ \neq$ 0 für alle n $ \in$ $ \mathbb {N}$. Dann gilt aber an$ \le$an+1$ \iff$an$ \le$2 . an . (1 - an)$ \iff$an$ \le$$ {\frac{{1}}{{2}}}$. Die letzte Ungleichung haben wir schon als richtig erkannt. Also gilt die erste. Daher ist (an) monoton wachsend und es ist (an) konvergent. Beispiele:
  1. Das Heron Verfahren zur Berechnung der Wurzel Die Griechen haben ein rafiniertes Verfahren entwickelt unm die Wurzel aus einer positiven Zahl zu berechnen. Wie so oft war die Geometrie der Ausgangspunkt ihrer Ideeen. Ich möchte die Methode an einem Beispiel erklären. Es soll $ \sqrt{{15}}$ berechnet werden. Wir gehen von einem Rechteck mit den Seiten a0 : = 5 und b0 : = 3 aus.

    Abbildung 1.2: Heron Verfahren
    \includegraphics[height=3cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bilder1}
    Dies ist kein Quadrat. Wir wählen als neue Seitenlängen:

    a1 : = $\displaystyle {\frac{{x_{0}+y_{0}}}{{2}}}$ undy1 : = $\displaystyle {\frac{{15}}{{x_{1}}}}$    

    Macht man weiter so erhällt man:

    x2 : = $\displaystyle {\frac{{x_{1}+y_{1}}}{{2}}}$ = $\displaystyle {\frac{{x_{1}+15/x_{1}}}{{2}}}$ = $\displaystyle {\frac{{x_{1}^{2}+15}}{{2\cdot x_{1}}}}$    

    Allgemein erhält man eine rekursiv definierte Folge mit:

    xn+1 : = $\displaystyle {\frac{{x_{n}^{2}+15}}{{2\cdot x_{n}}}}$    

    Bemerkung 1.3.2   Sei f (x) : = $\displaystyle {\frac{{x^{2}+15}}{{2\cdot x}}}$ und M = {x| f (x)$ \ge$15} Dann ist f : M $ \rightarrow$ M eine Progression für die Halbordnung $ \ge$. Das heißt für alle x $ \in$ M ist x$ \ge$f (x).

    Man rechnet leicht nach, dass f (x) $ \in$ M ist für x $ \in$ M. Außerdem zeigen zwei Äquivalenzumformungen sofort, dass x$ \ge$f (x) für alle x $ \in$ M gilt.

    Benutzt man zur Berchnung der Iterationsschritte einen Rechner, der Langzahlarithmetik beherrscht kann man sehr einfach die Wurzel mit belibeiger Genauigkeit ausrechnen. Beispielsweise bc der in jeder Linux Distribution enthalten ist.

    scale =10000
    a=2
    
    for(i=1;i<=50;i++)
       {a=(a*a+2)/(2*a);
     }
    print a, "\n"
    print "Wurzel aus 2:", sqrt(2), "\n"
    quit
    
    Hat diese Programm den Namen 3.bc so ruft man es von einer shell aus auf durch bc 3.bc so ergibt es $ \sqrt{{2}}$ auf 10000 Stellen genau. Die ersten Stellen sind:
    1.41421356237309504880168872420969807856967187537694807317
    6679737990732478462107038850387534327641572735013846230912
    2970249248360558507372126441214970999358314132226659275055
    927557999505011527820605714701
    

  2. Berechnung von Pi nach Archimedes:
    Abbildung 1.3: Berechnung der Kreiszahl
    \includegraphics[height=5cm]{/home/andreas/tex/schule/elfte/bild/bilder.2}
    s ist die Länge einer Sehne imm Einheitskreis. Sie hat vom Mittelpunkt den Abstand c. Auf der Sehne errichten wir die Mittelsenkrechte. Diese schneidet den Einheitskreis in einem Punkt C. Es entsehen zwei neue Sehnen. der Länge f (s) = x. Die neuen Sehnen haben vom Mittelpunkt den Abstand g(c) = y. Nach dem Kathetensatz des Euklid gilt
    (2 . y)2 = (1 + c) . 2  
    y = $\displaystyle \sqrt{{\frac{1+c}{2}}}$  
    g(c) = $\displaystyle \sqrt{{\frac{1+c}{2}}}$ (1.7)

    Ist der neue Abstand der kleineren Sehne bekannt, so kann die neue Sehne berechnet werden. Betrachte man die Zeichnung und berechnet den Flächeninhalt des Dreiecks $ \triangle$DCB zweimal, so sieht man:
    2 . y . x = $\displaystyle {\frac{{s}}{{2}}}$ . 2  
    f (s) = $\displaystyle {\frac{{s}}{{2\cdot g(c)}}}$ (1.8)

    Startet man mit c0 = 0 und definiert induktiv cn+1 : = $ \sqrt{{\frac{1+c_{n}}{2}}}$, so erhält man eine Progression.

    Definition 1.3.1   Sei U $ \subset$ $ \mbox{$\mathbb{R}$}$ und f : U $ \rightarrow$ U. f heisst Progression, wenn für alle x $ \in$ U gilt x$ \le$f (x). Oder es ist für alle x $ \in$ U: f (x)$ \le$x.

    Bemerkung 1.3.3   g : o[0, 1] $ \ni$ x $ \mapsto$ g(c) = $ \sqrt{{\frac{1+x}{2}}}$ ist eine Progression.

    Beweis:Es ist g(x) = $ \sqrt{{\frac{1+x}{2}}}$. Dann gelte die Äquivallenzen:
    x $\displaystyle \le$ g(x)  
    x2 $\displaystyle \le$ $\displaystyle {\frac{{1+x}}{{2}}}$  
    $\displaystyle {\frac{{-1}}{{2}}}$$\displaystyle \le$x < 1  

    Die letzte Ungleichung ist der Fall. Also ergibt sich die Behauptung. $ \Box$

    Bemerkung 1.3.4   Der Grenzwert der rekursiv definierten Folge c0 : = 0 und cn+1 : = $ \sqrt{{\frac{1+c_{n}}{2}}}$ ist 1.

    Beweis:Die Folge ist konvergent, da sie monotopn wachsend und nach oben beschränkt ist. Es ist cn = 2 . cn+12 - 1. Ist a = $ \lim\limits_{{n\to \infty}}^{}$cn, so folgt: a = 2 . a2 - 1. Darus ergibt sich a = 1. $ \Box$
    Definiert man passend zu der Abstandsfolge (cn) die Sehnenfolge, und die Umfangsfolge, so erhält man: s0 : = 2; und sn+1 : = $ {\frac{{s_{n}}}{{2\cdot s_{n}}}}$ und u0 = 2, un = 22sn so erhält man eine Annähreung an den Umfang des Halbkreise. Setzt man weiterhin tn : = $ {\frac{{1}}{{c_{n}}}}$ . sn, so ist On : = 2n . tn der Umfang des n-ten umbeschriebenen regulären Vielecks. Dies kann wieder hergenommen werden um mit dem Rechner bc die Kreiszahl $ \pi$ etwa auf 50 Stellen zu berechnen.
    scale=100
    c=0
    m=1
    for(i=1;i<=50;i++)
    {c=sqrt((1+c)/2);
     m=2*m;
    }
    umfang=m*sqrt(4-4*c*c)
    print "Anzahl der Ecken:  ", m, " Umfang: ",umfang
    quit
    
    Es ergibt sich:
    Anzahl der Ecken:  1125899906842624 Umfang: 
    3.141592653589793238462643383278483732551771296666640314903
    



Unterabschnitte
Andreas Bartholome
2003-11-26